Geschichte der Österreichischen Bibelgesellschaft
Seit mehr als 170 Jahren arbeitet die Bibelgesellschaft in Österreich, um die Bibel zu den Menschen zu bringen.
Inhaltsverzeichnis
- Beginn der Bewegung der Bibelgesellschaften
- Erste Bemühungen in Österreich
- Edward Millard gründete die Bibelgesellschaft in Österreich
- Bibelboten ziehen durchs Land
- Harter Widerstand gegen die Bibelgesellschaft
- In der Zwischenkriegszeit
- Während und nach dem Zweiten Weltkrieg
- Stärkere Verankerung der Bibelgesellschaft
- Gründung der Österreichischen Bibelgesellschaft
- Jahr der Bibel 2003
- Bibelzentrum - der Ort zum Wort
- Wir weltweit: United Bible Societies
- Österreichische Bibelgesellschaft - Über uns
- Mitgliedskirchen
Im September 1850 kam ein junger Mitarbeiter der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft nach Wien, um von dort aus die Bibelverbreitung in Österreich-Ungarn zu beginnen: Edward Millard. Von der Bibel war er derart ergriffen, daß er Jahre später einmal sagen sollte: „Die Bibel hat mein Herz glückselig, die Tätigkeit meines Lebens freudenvoll und auch ersprießlich, mein Haus fröhlich, meine Familie einig, meine Gegenwart erfreulich und meine Zukunft herrlich gemacht.“
Beginn der Bewegung der Bibelgesellschaften
Schon 1804 hatte in England die Bibelgesellschaftsbewegung mit der Gründung der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft ihren Beginn genommen. Preiswerte Bibeln in einer verständlichen Sprache sollten angeboten werden, nicht nur in England, sondern auf der ganzen Welt. Bibeln wurden übersetzt, gedruckt und verbreitet.
Erste Bemühungen in Österreich
Bemühungen, diese Arbeit auch in Österreich heimisch zu machen, gab es zahlreiche. Hier sei das Gesuch des Nürnberger Kaufmanns Tobias Kiesling um 100 britische Pfund für Bibeln in Österreich im Jahre 1804 ebenso genannt wie der gescheiterte offizielle Versuch eines Londoner Vertreters im Jahre 1816, hier ein Bibeldepot zu eröffnen. Nicht unerwähnt bleiben soll daher der Einsatz des Oberschützener Pfarrers Gottlieb August Wimmer in den folgenden Jahren, der von Oberschützen aus vor allem in die östlichen Landesteile Bibeln im Auftrag der Londoner Bibelgesellschaft verbreitete.
Edward Millard gründete die Bibelgesellschaft in Österreich
Der Baptist Edward Millard setzte sich nach der Gründung der bibelgesellschaftlichen Arbeit in Österreich 1850 mit aller Kraft für die Bibel ein: Nach nur 18 Monaten konnte er die Verbreitung von 36.000 Exemplaren biblischer Schriften sowie den Druck von weiteren 25.000 Exemplaren vermelden. Dann wurde seine Arbeit verboten. Diplomatische Intervention Englands verhinderte die drohende Vernichtung der Bibelbestände; diese wurden nach Breslau gebracht. Millard ließ sich nicht entmutigen.
Nach dem Erlass des Protestantenpatents im Jahre 1861 nahm er Kontakt zur Evangelischen Kirchenleitung auf und konnte auch dank deren Unterstützung im November 1864 im Heinrichshof gegenüber der Staatsoper ein Bibeldepot errichten. Binnen weniger Jahre konnte Millard weitere Bibeldepots in allen Landesteilen einrichten: So in Güns, Prag, Budapest, Triest, Warschau, Belgrad, Karlsbad, Klausenburg. Bibelübersetzungen ins Ruthenische, Slawonische und Serbische wurden in Angriff genommen.
Millionenfach wurden biblische Schriften gedruckt und verbreitet und zwar laut Jahresbericht vor allem in folgenden Sprachen: Deutsch, Böhmisch, Ungarisch, Slowenisch, Kroatisch, Serbisch, Polnisch, Russisch, Rumänisch, Italienisch, Hebräisch, aber auch Altslawonisch und Ruthenisch.“ 1874 wird berichtet: „In 17 Provinzen vom Bodensee bis zum Schwarzen Meer und von russisch Polen bis zum Adriatischen Meer ist die heilige Schrift binnen 10 Jahren in 13 Hauptsprachen in nicht weniger als 1.405.400 Exemplaren verbreitet worden.“
Bibelboten ziehen durchs Land
Das Herzstück der Bibelverbreitung in Österreich sollten mehr als ein Jahrhundert lang die Bibelboten bilden, „Kolporteure“ wurden sie auch genannt. Männer wurden ausgesandt in einzelne Landesteile, um dort nur mit einer jeweils befristeten Lizenz für Handelsreisende ausgestattet, Bibeln zum Verkauf anzubieten. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts sollte der Direktverkauf verboten sein; lediglich Bestellungen für Bibeln durften aufgenommen werden. Zeitweise waren bis zu 60 Bibelboten im Einsatz. So heißt es in einem alten Jahresbericht: „Ein Bibelbote muß ein Mensch sein, der persönlich bezeugen kann, daß Gott in sein Leben eingegriffen hat, vielmehr, daß er die ganze Gnade Gottes erlebt und den daraus entsprungenen Glauben erprobt hat. Er muß aber auch ein Mann sein, erfahren im praktischen Leben und nüchtern aller Wirklichkeit gegenüber. Ebenso muß er mit der Heiligen Schrift vertraut sein durch oftmaliges Lesen und aufmerksames Studieren.“
Harter Widerstand gegen die Bibelgesellschaft
Dass die Arbeit der Bibelgesellschaft und konkret das Auftreten der Bibelboten in dieser Zeit nicht nur auf Zustimmung stieß, ist trauriger Teil der Geschichte. Besonders schwierig ist die gesetzliche Situation. Noch 1906 findet sich in einem Brief nach London folgende Klage: „Österreich ist das Land der Schwierigkeiten par excellence für die Bibelgesellschaft. Es ist das einzige Land in Europa, ja wahrscheinlich in der Welt, wo es verboten und strafbar ist, auf der Straße oder gar in einem Privathaus eine Bibel zu verkaufen“.
Harter Widerstand wird der Bibelverbreitung von der römisch-katholischen Kirche entgegengebracht. Priester sammelten Bibeln ein und nicht selten wurden sie sogar verbrannt. In einem alten Jahresbericht lesen wir: „Warum sagen uns unsere Priester so wenig vom Evangelium? riefen die Leute in einem Dorfe aus: Der Colporteur antwortete: Weil sie selbst so wenig davon wissen. Doch zuweilen findet sich sogar ein Priester, der sich nicht nur selbst für die heilige Schrift interessiert, sondern den Wunsch hegt, daß sie auch dem Volk vertraut gemacht werde.“ Verfolgungen, Verbote, Steinwürfe, handgreifliche Attacken bleiben den Bibelboten nicht erspart; einer von ihnen wird im Jahre 1874 ermordet.
So schreibt Millard Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts: „Die Kolporteure melden überall dasselbe: Vielfache Gegnerschaft von Seiten der Priester, viel Fragen unter dem Volk, viel Gleichgültigkeit und Spott und bei Vielen die Überzeugung, daß es für Sünder gut sein muß, von dem Werk ihres Heilandes zu lesen und nach dem Willen ihres himmlischen Vaters zu fragen.“
In einem Bericht ist zu lesen: „Während Mr. Millard eine beträchtliche Zunahme in der Verbreitung der Heiligen Schrift meldet, gesteht er doch ein ihn ergreifendes, düsteres Gefühl ein, welches aus der Wahrnehmung hervorgeht, daß auf seinem Arbeitsfelde ganz allgemein die Feindschaft gegen das Wort und Werk des lebendigen Gottes noch immer in der Zunahme begriffen ist. Hier geht der Widerstand von den bürgerlichen Behörden, dort von der römisch-katholischen Geistlichkeit, dort wieder von rationalistischen Pastoren aus, und der Erfolg ist dann, daß das die frohe Botschaft vom Heil, welche oft zum Volk in keiner anderen Form als in dem geschriebenen Wort gelangt, verworfen und deren Träger hinausgestoßen wurden.“
Nachfolger Millards wird zunächst sein Sohn Henry, dann ab 1902 Theodor Hofer. Das Bibeldepot wurde in die Bräuhausgasse im 5. Bezirk verlegt, wo die Arbeit auch den gesamten Ersten Weltkrieg hindurch fortgeführt wurde.
In der Zwischenkriegszeit
Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs wurde die Lage schwieriger. Es wurde nach London die Anfrage gerichtet, ob sich der Erhalt eines Bibeldepots im klein gewordenen Österreich überhaupt noch lohne. So wurde das Depot 1920 geschlossen; 1924 aber von Hans Döring in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchenleitung wieder eröffnet. Bis zu sieben Bibelboten wurden in der Zwischenkriegszeit wieder ausgesandt. Häufige Umzüge prägten diese Jahre: Von der Seegasse im 9. Bezirk in die Frankenberggasse im 4. Bezirk, dann in die Theobaldgasse im 6. Bezirk und schließlich in die Operngasse im 4. Bezirk.
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg
Nachfolger Dörings wird nach dessen plötzlichem Tod 1936 Karl Uhl. Er hatte die schwierige Zeit des Zweiten Weltkriegs zu bestehen. Ihm gelang es im Mai 1941, die drohende Vernichtung des großen Berliner Bibeldepots abzuwenden. Rohdrucke und gebundene Bibeln von großem Wert wurden in Eisenbahnwaggons nach Wien gebracht und ermöglichten so die Bibelverbreitung nach dem Krieg. Unmittelbar nach dem Krieg wurde der Dienst der Bibelboten wieder aufgenommen; allerdings sollte sich ihre Aufgabe mehr und mehr zu Bibelmissionaren und Bibelreferenten wandeln, die in Schulen, Gemeinden und bei Freizeiten Vorträge über die Bibel und ihre Bedeutung sowie die Arbeit der Bibelgesellschaft hielten.
Stärkere Verankerung der Bibelgesellschaft
Die nächsten Jahre und Jahrzehnte brachten wichtige Entwicklungen mit sich. 1947 wurde von Vertretern der Evangelischen Kirchen und der Freikirchen das Österreichische Bibelkomitee gegründet, mit dem Ziel die Arbeit der Bibelgesellschaft stärker in den Gemeinden Österreichs zu verankern und in absehbarer Zeit eine von England unabhängige Österreichische Bibelgesellschaft zu gründen.
1950 wurde das 100jährige Bestehen der Bibelgesellschaft gefeiert mit einem Festgottesdienst am 24. September 1950 in der Gustav-Adolf-Kirche und einem Festakt am Nachmittag dieses Tages im großen Musikvereinssaal. 1954 wurde das zuvor erworbene Bibelhaus in der Breite Gasse im 7. Bezirk eingeweiht; Zentrum der Arbeit der Bibelgesellschaft bis heute.
Mit Pius Parsch, dem Pionier der katholischen Bibelbewegung verband Karl Uhl eine persönliche Freundschaft. 1936 hatte Pius Parsch anlässlich einer Begegnung folgende - bis heute aktuelle - Worte gesagt: „Wir beide haben eine große Aufgabe. Wir müssen die heilige Schrift verbreiten. Unser Volk braucht dieses Buch und bei diesem Buch werden sich auch die Kirchen treffen.“
In den fünfziger Jahren kamen wichtige Aspekte zur Arbeit der Bibelgesellschaft hinzu: In Zusammenarbeit mit Kirchen und Gemeinden wurde die Verantwortung für die Bibelübersetzung und -verbreitung in aller Welt erkannt und Spenden und Kollekten für Bibelprojekte in vielen Ländern gesammelt.
Gleichzeitig wurde erkannt, dass es nicht genügt, Bibeln zu drucken und zu verbreiten, sondern dass es mindestens ebenso wichtig ist, Hilfen zum besseren Verstehen der Bibel zu geben. Gemeinsam mit dem infolge des 2. Vatikanischen Konzils gegründeten Katholischen Bibelwerk in Klosterneuburg wurde 1967 eine ökumenische Bibelausstellung erarbeitet, die jahrelang in Gemeinden im Einsatz war.
Gründung der Österreichischen Bibelgesellschaft
1970 war es soweit: Am 23. September wurde die Österreichische Bibelgesellschaft gegründet. Gleichsam als Mitgift schenkte die Britische und Ausländische Bibelgesellschaft ihrer „Tochter“ das Bibelhaus samt Lager und Inventar. Karl Uhl trat in den Ruhestand, sein Nachfolger wurde dann bis zu seiner Pensionierung 1996 Hugo Mayr. Das Wiener Bibelhaus wurde zum wichtigen Umschlagplatz für Bibeln für die Staaten des Ostblocks.
Seit den späten 50er-Jahren war die kleine ständige Ausstellung in der Bibliothek des Bibelhauses Ziel unzähliger Schulklassen, die dort eine anschauliche Information über die Bibel und ihre Geschichte bekamen.
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs sollten sich die Aufgaben der Bibelgesellschaft neuerlich wandeln: Die bibelmissionarische Arbeit, Vorträge, Bibelkurse, die Besuche der Schulklassen traten in den Vordergrund.
1999 wurde - wieder ökumenisch gemeinsam mit dem Österr. Kath. Bibelwerk - die Wanderausstellung „Die Bibel erleben“, die zum Entdecken der Bibel mit allen Sinnen einlädt, präsentiert. Diese Ausstellung war seither an mehr als 60 Orten zu sehen und kann auf mehr als 100.000 Besucher verweisen. In Kooperation mit Ö1 waren ab 2000 bis 2002 gemeinsam Lesungen biblischer Bücher im Radiokulturhaus mit theologischen Gesprächen veranstaltet worden, die später gesendet wurden.
Jahr der Bibel 2003
Das „Jahr der Bibel 2003“, für das die Bibelgesellschaft in Österreich maßgebliche Verantwortung trug, brachte neue Möglichkeit, die Bibel in die Gemeinden und in die Öffentlichkeit zu tragen. Ein Höhepunkt war der bundesweite ökumenische Schülerwettbewerb „Bibel in Kultur und Gesellschaft“, der im Herbst 2003 mit einem Festakt im Unterrichtsministerium gestartet und im Juni 2004 mit einem großen Fest im Stift Klosterneuburg abgeschlossen wurde. Als „Inspiration“ war kostenlos allen Schulen Österreichs die CD-ROM zur Bibelausstellung „Die Bibel erleben“ zur Verfügung gestellt worden. Die Vielzahl der kreativen Einsendungen zum Wettbewerb zeigt, dass die Bibel lebendig ist, dass neue Zugänge gefragt sind.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Bibelgesellschaft ist die kostenlose Bibelverbreitung unter Flüchtlingen und Gefangenen in deren Sprachen geworden. Die Nachfrage steigt stetig; Dankschreiben der Gefangenen zeigen, wie wichtig der Zuspruch der Bibel gerade in dieser schwierigen Situation ist.
Bibelzentrum - der Ort zum Wort
Nach dem Auszug aus dem alten Bibelhaus in der Breitegasse 8 ist die Bibelgesellschaft nach eineinhalb Jahren in einem Ausweichquartier in der Neubaugasse wieder in die Breite Gasse 4-8 zurückgekehrt: Im Erdgeschoß des neu entstandenen Gebäudekomplexes mit seiner aufregenden und ausgezeichneten Architektur (Prof. Carl Pruscha) wurde das Bibelzentrum eingerichtet, wo die historische Bibliothek zugänglich, Ausstellungselemente und Veranstaltungsangebote auf die Geschichte und Bedeutung der Bibel hinweisen und die Medieninstallation an der Fassade zur interaktiven Begegnung mit der Bibel einlädt. Bis zum 15-jährigen Jubiläum im Jahr 2020 kamen 65.000 Besucherinnen und Besucher ins Bibelzentrum.